Neueste Ausgabe : 26 April 2022
Die Idee, für ein langes Wochenende nach Leipzig zu fahren, war mir nie in den Sinn gekommen. Denn die Stadt der ehemaligen DDR hat hat auf den ersten Blick nicht die Aura Dresdens mit seinem historischen Kern, der nach dem Bombardement des Zweiten Weltkriegs identisch wiederaufgebaut wurde. Auch nicht das trendigeMetropolen-Image Berlins. Aber als sich die Gelegenheit ergab, Leipzig zu entdecken, war meine Neugier größer. Zumal dieser Name eng mit Johann Sebastian Bach verbunden ist: Da ich in mehreren Chören gesungen habe, kannte ich einige seiner Werke gut!
Die Stadt hat mich fast sofort begeistert: Zwischen Historie und Moderne, zahlreichen Passagen und kleinen Plätzen, Theatern und authentischen Stätten, welche die Geschichte geprägt haben, strahlt die Innenstadt dieses gewisse „Etwas“ aus, das Lust auf weitere Erkundungen macht.
Eine kurze Einleitung vor der Besichtigung mit einem Gästeführer ist zweckmäßig um die Messestadt, die früher eines der wichtigsten kulturellen und wirtschaftlichen Zentren in Europa war, besser zu verstehen. Dazu ist ein kleiner Rückblick in die Vergangenheit notwendig.
Ein kurzer Leipzig Rückblick
Die Stadt, am Kreuzpunkt der Via Regia und der Via Imperii, war ab 1165 ein wichtiges Handelszentrum. Ihre Universität, gegründet 1409, eine der ältesten in Mitteleuropa, war und ist auch heute noch Anziehungspunkt für zahlreiche Studenten, darunter Goethe, Nietzsche, Leibniz und Richard Wagner. Angela Merkel hat in Leipzig Physik studiert
Leipzig gehörte mit seiner Messe zu den wichtigsten europäischen Handelsplätzen. Dass Leipzig auch ein bedeutendes kulturelles Zentrum ist, beweist die beeindruckende Anzahl an Druckereien und Buchhandlungen ab dem 15. Jahrhundert. Dank der Universität entwickelte sich der Handschriftenhandel, so dass der Buchhandel in Leipzig Fuß fasste – noch vor dem Druck der ersten Bücher. Bereits 1212 wurde die Thomasschule mit dem Thomanerchor gegründet und gehörte zu den renommiertesten Musikschulen Deutschlands. Im 18. Jahrhundert, fügte die Ankunft großer Komponisten und Musiker weitere Attraktivität hinzu. Die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ wurde 1843 als Conservatorium der Musik gegründet.
Wenn die Industrialisierung im 19. Jahrhundert neben Ödland auch Narben in der Landschaft hinterlassen hatte, wurden sie mit Bedacht transformiert: Die Gruben der Braunkohleförderung wurden in Seen verwandelt, Schutt nach den Bombenangriffen bilden künstliche Hügel und die alten industriellen Backsteinhangars beherbergen Ateliers von Künstlern und Handwerkern, während andere in begehrte Wohnungen umgebaut wurden.
Nach der Wiedervereinigung und der Schließung von vielen Industriezweigen, dem Verlust von Arbeitsplätzen und dem Wegzug eines Teils der Bevölkerung, dauerte es bis Anfang der 2000er Jahre, bis die Menschen (wieder)kamen. Wie Torsten, ursprünglich aus Westdeutschland. Was ihm hier gefällt? „Leipzig ist eine sehr junge Stadt mit einem Durchschnittsalter von 41 Jahren und rund 30.000 Studenten, die von der Universität und 6 Hochschulen angezogen werden. Das kulturelle Angebot ist unglaublich breit und vielfältig. Mit der Ansiedlung von Unternehmen wie BMW, DHL oder Porsche gibt es mehr neue Arbeitsplätze. Es ist auch eine sehr grüne Stadt mit vielen Parks und Gärten. Dank des öffentlichen Verkehrsnetzes braucht man auch kein Auto."
Nach dieser langen, aber notwendigen Einführung, folgen wir Torsten, um die Stadt zu entdecken.
Eine Mischung aus Architekturen
Erster Halt am Augustusplatz, mit seinen 40.000 m² einer der größten Plätze Deutschlands, gesäumt von mehreren emblematischen Gebäuden der Stadt. Eine architektonische Einheit suchen wir vergeblich. Das aktuelle Ägyptische Museum wird von einer Glocke mit zwei Glöcknern überragt, nach dem Vorbild des Glockenturms auf dem Markusplatz in Venedig.
Die im Dezember 1943 bei einem Bombenangriff zerstörte Oper Leipzig zeigt ihre strenge Fassade im reinen sozialistischen Stil, schlicht und massiv. Die drittgrößte Bühne in Europa kann mit einem reichhaltigen und abwechslungsreichen Programm aufwarten. An erster Stelle steht natürlich Richard Wagner, einer der größten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts der in Leipzig geboren wurde. Das Wagnerfest „Wagner 22“ führt erstmalig alle 13 Werke in chronologischer Reihenfolge auf.
Das Innere ist genauso beeindruckend. Was im Foyer wie schlichte weiße Fliesen aussieht, sind in Wirklichkeit filigrane handgefertigte MeissnerPorzellanfliesen. Bei Führungen kann man hinter die Kulissen blicken, den Kostümbestand bestaunen: 6000 Kostüme auf zwei Stockwerken nur für die aktuelle Saison. „Insgesamt haben wir rund 10.000 Bühnenkostüme“, weiß Torsten.
Die Sitzplatzpreise sind erschwinglich, warum also nicht einen Besuch in der Musikstadt mit einer Aufführung in der Oper oder einem Konzert im berühmten Gewandhaus gegenüber verbinden?
Nicht nur während Konzertabenden ist das riesige, beleuchtete Fresko im Foyer auch von außen zu sehen.
"Mit 182 Instrumentalisten ist das Gewandhausorchester das größte Berufsorchester der Welt. Jeder Platz im Orchester ist doppelt besetzt, was es ermöglicht, gleichzeitig in der Oper, im Gewandhaus und mit dem Thomanerchor zusammen zu spielen", fährt unser Guide fort. Ein eigenartiger Name für einen Konzertsaal, Gewandhaus. Aber unser Guide hat die Erklärung: Früher befand sich der Konzertsaal in der Gewerbehalle der Tuchhändler und war zwischen Gewandgäßchen und Kupfergasse gelegen.
Das ungewöhnlichste Gebäude auf dem Platz ist wahrscheinlich die neue Universität, ganz aus Glas und Metall, dessen Fassade an die neugotische Paulinerkirche erinnert, die 1968 abgerissen wurde, um Platz für die Universität zu machen. Heute ist das Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli ein Gebäude der Universität. Leipzig Im Inneren erinnern historische Gegenstände sowie einige alte Fresken an die Geschichte des Ortes.
Das City Hochhaus war früher Teil des Universitätskomplexes – heute ist es Bürositz mehrerer Firmen. Von der Terrasse im obersten Stockwerk haben wir einen herrlichen Panoramablick auf die Stadt und ihre Region. Hier befindet sich auch ein hervorragendes Restaurant!
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Unsere Besichtigungstour geht weiter, durchquert ein System aus Innenhöfen und Passagen mit Geschäften und passiert kleine Plätze, auf denen man sich gerne für einen Kaffee niederlässt.
Unter den Passagen, ein Zusammenschluss kleiner Gassen und Durchgangshöfe um Messehäuser innerhalb der Stadt zu schaffen, sollte man sich die Mädlerpassage nicht entgehen lassen. Nicht weil es eine der schönsten ist, sondern wegen seiner Verbindung zu Goethes Faust. Um Kunden in den Weinkeller der Passage zu locken, hatte ein Stadtrat die Idee, den Maler Andreas Brettschneider zu beauftragen, zwei Gemälde zu malen, die die Legende von Dr. Faust verbildlichten.
Zu den Sehenswürdigkeiten, die man gesehen haben muss, gehört gehört auch die Nikolaikirche. Nicht nur, weil sie die älteste und größte Kirche Leipzigs ist, weil Johann Sebastian Bach dort Orgel spielte (und was für eine Orgel, mit 6600 Pfeifen und 200 Registern!), oder weil ihr Chor der Königlichen Kapelle von Versailles ähnelt, sondern vor allem, weil sie Ausgangspunkt der „Friedlichen Revolution“ war, im Herbst 1989, deren Folgen wir kennen, nämlich den Sturz des DDR-Regimes.
Auf dem Platz neben der Kirche erinnert ein Denkmal in Form einer der Kirchensäulen, an die Friedensgebete, die Teil derGeschichte geworden sind.
Eine Kantate von Bach
Aber nun ist es an der Zeit, den Mann zu treffen, der wie kein anderer mit Leipzig in Verbindung steht: Johann Sebastian Bach (1685-1750). Wir gehen weiter zur Thomaskirche, wo er Organist, Chorleiter und Leiter der Musikschule war. Im Chorraum der Kirche befindet sich auch sein Grab. Vor der Kirche stellt ihn eine Bronzestatue mit seiner Orgel dar.
Gleich gegenüber im Bach-Archiv, ermöglicht das Bach-Museum das Leben, die unermüdliche Arbeit und das Wirken dieses außergewöhnlichenKomponisten und Musikers zu entdecken.
Sein Amtsantritt als Thomaskantor im Mai 1723 prägte die Musikgeschichte Leipzigs nachhaltig. Hier komponierte er einen Großteil seiner bekanntesten Werke, darunter mehr als 300 Kantaten (um nicht jeden Sonntag die gleiche spielen zu müssen). In der Schatzkammer sind einige Originalpartituren erhalten.
Kleine Videos, Hörstationen, ein „Wandorchester“ machen den Besuch noch interessanter.
Zu den Herzstücken des Museums gehört eine Orgel. Oder zumindest eine Bank und eine Klaviatur von einem Instrument, das 1743 von Bach begutachtet wurde. Dies ist das einzige Relikt einer Bach-Orgel in Leipzig!
Beim Besuch des Museums erfährt man auch mehr über den berühmten Thomaschor, die Musikschule und das Internat zu erfahren, die Bach viele Jahre lang leitete. Die Ursprünge dieses Knabenchores, der bis heute zu den bekanntesten in Deutschland zählt, reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück.
Ein Orchester dirigieren wie Mendelssohn
Ebenso faszinierend ist der Besuch eines anderen Museums, das ebenfalls einem großen Musiker gewidmet ist, Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), ein wahres Wunderkind der Musik, genau wie seine Schwester Fanny.
Beide waren virtuose Pianisten und Komponisten. Mendelssohn war auch der jüngste Leiter des Gewandhausorchesters, Mitbegründer des ersten Konservatoriums und er war es, der die Werke Bachs wiederentdeckte.
Der Besuch der verschiedenen Räume der weitläufigen Wohnung des Ehepaares gleicht einer Reise durch das Leben von Felix Mendelssohn von seiner kulturell gezeichneten Kindheit bis zu seinem frühen Tod im Alter von nur 38 Jahren. Während seines kurzen Lebens hat er mehr als 750 Werke komponiert!
Berühmte Besucher sind die Treppe in den ersten Stock hinaufgestiegen, Clara und Robert Schumann, Hans Christian Andersen, Jenny Lind und Richard Wagner! Jeden Sonntag lud die Familie Mendelssohn Freunde zu Konzerten in ihr Musikzimmer ein. Eine Tradition, die noch immer lebendig ist!
Nach diesem Eintauchen in das Leben dieser großen Musiker wartet auf die Besucher des Mendelssohn-Museums eine große Überraschung mit dem „Effektorium“. Diese weltweit einzigartige Installation ermöglicht es, ein virtuelles Orchester und einen Chor in Werken von Mendelssohn zu dirigieren! 13 Säulen bilden Gruppen und Stimmen, die durch Angabe von Geschwindigkeit und Kraft gelenkt werden sollen. Gar nicht so einfach!
Musik lässt die Stadt vibrieren. Ein Rundgang, die Leipziger Notenspur, gleicht einer Partitur und führt die Besucher auf den Spuren der Virtuosen zu Wirkungs- und Wohnorten, aber auch zu Konzertsälen, Museen (im Musikmuseim steht das älteste Klavier der Welt) und Denkmälern, die immer im Bezug zur Musik stehen.
Das ganze Jahr über bringen Festivals die Stadt zum Schwingen. Oper, Bach, Mendelssohn, Chorgesang, Vokalmusik, Indierock, Jazz oder auch Gothic. Und wenn Wagner diesen Sommer den Höhepunkt des klassischen Musiksommers bildet (die Oper wird seine 13 Opernwerke aufführen!), wird die Gruppe Rammstein das Stadion das Stadion der Red Bull Arena zum Beben bringen (der Sänger der Gruppe Till Lindemann wurde in Leipzig geboren).
Leipzig ist eine wahre Konzentration der Kulturen. Um mehr zu erfahren, klicken Sie HIER.