Neueste Ausgabe : 01 Januar 2015
Seit meiner Kindheit träumte ich davon, mindestens einmal in meinem Leben wie Sissi, die berühmte österreichische Kaiserin, zu sein.
Walzer tanzen in den Armen eines eleganten Kavaliers in einem von Sissis Schlössern, der Hofburg in Wien. Als die Jahre auf Hochtouren verflogen, war es höchste Zeit, meinen Traum wahr werden zu lassen!
Erster Schritt: zwei Karten für einen der Bälle zu ergattern, dern Saison am 31. Dezember mit dem Kaiserball eröffnet wird. Die Auswahl ist groß mit nicht weniger als 450 Bällen, die bis Ende März laufen. Ich habe, rein zufällig, den Ball der Wiener Kaffeesieder ausgewählt, einen der beliebtesten (mit 5.000 bis 6.000 Gästen!), der ursprünglich für die Witwen und Waisen organisiert worden war.
Wenn es heute reicht, seinen Eintritt zu reservieren, musste man früher eingeladen werden, um sein Ticket kaufen zu können und Zugang zu den kaiserlichen Sälen zu erhalten. Aber man muss sich schon frühzeitig den begehrten Sesam sichern!
Und um sich einen guten Platz zu sichern, mit Blick auf die Darbietungen des Abends, ist es besser, bei Einlass um 19:30 Uhr dazu sein.
Da unser Hotel nur 500 Meter von der Hofburg entfernt liegt, haben wir uns entschieden, zu Fuß dorthin zu gehen. Fehler: Versuchen Sie, in Aschenputtels Schuhen über den Hauptboulevard zu trippeln, während Sie Ihr langes Kleid und das Abendtäschchen elegant zu halten. Ein schreckliches kleines Geräusch lässt mein Blut gefrieren: Ich bin auf meinen Saum getreten! Zum Glück arbeitet am Veranstaltungsort ein Änderungsdienst! Gerettet!
Als ich die mit einem roten Teppich bedeckte Treppe am Arm meines Kavaliers hochschreite (aud aufpasse, nicht wieder auf den Saum zu treten), rattern die Blitzlichter. Jedes Paar wird fotografiert, um diesen Moment zu verewigen. Sissis Geist schwebt in der Luft!
Bleibt nur noch, nach einem strategischen Ort zu suchen, um einen freien Blick auf den Parkettboden des großen Saals zu haben. Die Wartezeit ist lang, zumal Sitzplätze knapp sind und mit dem Ticketkauf reserviert werden mussten.
Nach eineinhalb Stunden auf der Stelle treten, beginnen endlich die Feierlichkeiten mit einem Paukenschlag.
Ein Woge in Schwarz und Weiß strömt aus den Türen: Die Schüler und Schülerinnen der Tanzschulen in Wien treten anmutig auf und ihre Emotionen sind in ihren Gesichtern abzulesen. Aber die berühmten "Anfänger" sind nicht alle sehr jung: Mit Beziehungen (und etwas Geld?) haben sich einige Paare diesen großartigen Moment leisten können!
Die Zeit vergeht und die Woge scheint endlos zu sein .... Schließt denn niemand die Tür?
Nun kommen die Ehrengäste, die Brust geschmückt mit Orden. Die österreichische Nationalhymne, Reden, die Europahymne, Operettenarien, polnisches Opernballett, Märsche, Polka ... Es ist großartig.
Die Animationen folgen aufeinander, während das "Volk" ruhig wartet und wir unsere Füße nicht mehr spüren. Das heisst, ich fühle sie nur zu sehr in meinen neuen Tanzschuhen, dabei habe ich noch keinen einzigen Walzerschritt getan!
Um 23 Uhr lanciert der ehrwürdige Meister der renommierten Tanzschule Elmayer und Großmeister des Balles, Professor Thomas Schäfer-Elmayer, endlich die Zauberformel „Alles Walzer“! Endlich dürfen nun auch wir auf die Tanzfläche.
Das erträumte schwebende Walzertanzen ähnelt aber leider eher einem Nahkampf: die Hunderte von Paaren halten sich absolut nicht an die Regeln, die auf jeder Tanzfläche herrschen und die es ermöglichen, zu tanzen, ohne aufeinander zu treten ... Aber egal, wir walzen endlich, und ich ignoriere erhaben fremde Ellenbogen die in meinen Rücken stossen und Tritte mit Stilettos auf meinem Fuss!
Um der Menge ein wenig zu entfliehen - aber die gibt es überall - wandeln wir elegant durch die weitläufigen Gänge auf der Suche nach den anderen Räumen, in denen Orchester mit moderneren Rhythmen zum Tanz aufspielen. Auf den Stufen einer Paradetreppe sitzen ein paar Hungrige, die eine Wiener Bratwurst genießen und darauf achten, weder Smoking noch Kleid zu beflecken. In Wien wird wir vor dem Ball gespeist (vor Ort gibt es nur kleine Gerichte).
Die Säle sind so überfüllt, dass man nur schwer tanzen kann, und auch in den weitläufigen kaiserlichen Korridoren tummeln sich viele Menschen.
„Die Wiener kommen zum Ball, um zu flanieren, um zu sehen, wer da ist und um gesehen zu werden, auch um Geschäfte zu besprechen“, erklärt uns einer der Organisatoren und verrät auch einige Zahlen. Denn wenn die Hofburg eine repräsentative und traumhafte Location für einen Ball ist, ist die Organisation teuer und kompliziert: Die Anmietung des Schlosses für 24 Stunden kostet zwischen 700.000 und 900.000 € mit Blumen, Orchester, Techniker, Steuern etc. Der geringe Gewinn wird verwendet, um künstlerische Veranstaltungen in den Wiener Kaffeehäudern zu organisieren, um sie zu beleben und ihnen das Überleben zu ermöglichen.
Auf einmal begeben sich die eleganten Damen in Richtung des großen Ballsaals zu einem weiteren Highlight des Abends: die quadrille des Publikums. Ein großes Durcheinander! SNur wenige verstehen die verschiedenen Figuren und da die Leute so ziemlich alles tun, gebe ich auf! Ausserdem schmerzen meine Füsse viel zu sehr...
Draußen wartet eine beeindruckende Taxischlange, um die ersten Tänzer nach Hause zu bringen.
Die „echten“ Ballgänger bleiben bis 4.30 Uhr, steigen dann in ein Taxi, um die Nacht ausklingen zu lassen und den Tag in einem Wiener Café zu beginnen.
Ich gebe zu, wir haben uns da längst in unser Hotel zurückgezogen...
INFO
https://www.stadt-wien.at